BUNA 4 1.8. - 25.8.1996
Atemmaschine 4 von Alexander Thiele

Raumskulptur von Olaf Arndt, Rob Moonen und Nils Peters

Hypertextarchiv / Installation von Kerstin Weiberg und Richard Schütz

Gegenwartskunst, die sich mit historischer Überlieferung beschäftigt, vollzieht nicht die gewohnten Methoden der Geschichtsschreibung nach, sondern gibt durch ihre spezielle Betrachtungsweise einen anderen Blick auf die Geschichte frei. Sie ermöglicht das Entdecken neuer Zusammenhänge durch die künstlerische Betrachtungsweise geschichtlicher und somit gesellschaftsprägender Umstände. Die Arbeiten dieser Ausstellung thematisieren auf sehr unterschiedliche Weise kollektive Erinnerung und den gesellschaftlichen Umgang mit historischen Zusammenhängen.

Die künstlerische Auseinandersetzung der eigenen Existenz mit der Welt um uns herum führt Künstler wie Olaf Arndt, Rob Moonen, Nils Peters, und Alexander Thiele in dieser Ausstellung mit den unterschiedlichsten Betrachtungsweisen zusammen.
Hier steht nicht die Sensation im Mittelpunkt, sondern der analytische Versuch, Unbegreifliches in künstlerische Vokabeln zu übersetzen.
Arndt, Moonen und Peters recherchierten mit Ihrer Installation Buna 4 in der jüngeren deutschen Vergangenheit. Unter unvorstellbaren Verhältnissen wurden während des zweiten Weltkriegs Gefangene und Deportierte zur Zwangsarbeit in deutschen Industrieunternehmen abgestellt. Ein Beispiel hierfür ist die Fabrik für synthetischen Kautschuk der IG Farben; Buna.

Die Künstler haben mit Materialien dieser Produktion eine gigantische Skulptur geschaffen, die durch Begehbarkeit, Textur, Geruch, optische und akustische Signale, auf fast traumatische Weise die unterschiedlichsten physischen und psychischen Befindlichkeiten thematisiert.

Alexander Thiele arbeitet mit dem gleichen Material. Er entwickelte die Atemmaschine, ein kinetisches Großobjekt, das durch zwei überdimensionale Herz/Lungenbeutel das Motiv von der atmenden Fabrik aufgreift.

Richard Schütz und Kerstin Weiberg demonstrieren mit ihrer Arbeit "D-Konstruktion des Erinnerns" (Hypertextarchiv/Installation zum Anti-semitismus) das prozessuale Verhalten von Dokumenten und den Verlust von Erinnerung.


Archive sind Manifeste des kollektiven Gedächtnisses. Das Festhalten von historischen Abläufen in Dokumenten und deren Aussage ist jedoch von den Umständen der Zeit und der Gesellschaft beeinflußt. In der Arbeit von Richard Schütz und Kerstin Weiberg sind die verschiedenen Archivdaten - Texte, Bilder, Stimmen-, zur 1700-jährigen Geschichte des Antisemitismus Im Computer archiviert. Hierbei entsprechen Text-, Bild- und Tondokumente verschiedenen Ebenen der Erinnerung.

Die Daten können vom Publikum aufgerufen und bearbeitet werden. Textdokumente werden auf dem Bildschirm angezeigt. Die Bilddokumente werden über Videoprojektoren an die Wände des Raumes projiziert. Ihre Präsenz und ihr Zustand ist von der Nutzung des Archivs abhängig, denn die Dokumente werden vom Dahinschwinden durch die voranschreitende Zeit bedroht. Der Verfall der Dokumente tritt bereits wenige Augenblicke nach dem letzten Benutzerimpuls ein. Computerviren beginnen das jeweils aufgerufene Text-, und Bilddokument zu zerstören. Texte werden unlesbar; Bilder mit dokumentarischen Inhalten werden zu "abstrakten" Mustern. "Zurück bleibt die subjektive Erinnerung an die Fragmente des Wahrgenommenen..." (Schütz/Weiberg)