4. Literaturforum Hannover
21.-30.10 1994
"Tuthtable" von Mari Soppela (Finnland/NL)
"wet nurse / Die Amme II" von Peter Dittmer (D)
Gezeigt werden Arbeiten im Bereich der Neuen Medien, die sich explizit mit Sprache und Literatur im Kontext elektronischer Kommunikationsmittel auseinandersetzen. Die Darstellungsmöglichkeiten reichen vom rein formalen Spiel mit Lauten und Schriftzeichen über Experimente mit narrativen Elementen oder philosophisch-theoretisch orientierten Bild-Schrift-Generierungen bis zu Installationen, die mehrere dieser Ebenen umfassen.

Die Finnin Mari Soppela nennt ihre erzählerische Arbeit "truthtable". Auf einem Tisch sind 6x8 Felder zu erkennen. Jedes Feld, besteht aus einer Videobildprojektion. Es zeigt ein Standbild aus einer hierfür produzierten Videogeschichte. Tippt der Betrachter nun in eines der Felder, eventuell das jeweils spannendste Motiv wählend, so läuft eine von vielen möglichen Bilderzählungen der Story dort ab. Nachdem alle Felder ausprobiert wurden, erhält man eine völlig neue Gesamtübersicht der Story auf der Tischprojektion und ein persönliches Videostill.

Peter Dittmer: wet nurse/ Die AmmeII In dieser Arbeit hat das Publikum die Möglichkeit, mit Hilfe der Eingabetastatur in einen Dialog mit dem Computer zu treten. "Hallo" begrüßt der Computermonitor sein Gegenüber. Der Wortwechsel zwischen Mensch und Maschine beginnt. Ob sich daraus eine angenehme Kommunikation oder ein böser Streit entwickelt, läßt sich sehr deutlich an den Reaktionen des sprachgesteuerten Mechanismus ablesen: das Gerät ist quasi beleidigt, wenn der Gesprächsverlauf nicht den programmierten Schablonen entspricht. Je weniger der Apparat versteht, umso größenwahnsinniger und rabiater wird er, um die Initiative zu behalten.
Der Apparat behauptet sich als "einheimisch" im Gespräch, sein Gegenüber ist zu Besuch. Insistiert der hartnäckige Besucher nun auf weitere Kommunikationsversuche, so spannt sich die Situation zusehends an. Ein Bildfenster in der Menüleiste zeigt den Verlauf des Dialogs als Wut- beziehungsweise Entspannungsdiagramm. Ist der Gesprächsverlauf nach dem "Geschmack" des Computers, kredenzt der Apparat ein Glas Wasser. Wie von Geisterhand füllt sich zur kurzweiligen Versöhnung das bereitstehende Glas mit Wasser, durch eine Öffnung im Boden. Gibt es keine einvernehmliche Gesprächsentwicklung, beendet das Gerät den Dialog, indem es seinem Gegenüber ein Glas Milch entgegenschüttet. Das Umstürzen des Milchglases steht für den Schaltvorgang im Gespräch, dessen binäre Ja-Nein-Struktur. Dittmer entlarvt den Dialog als einen Vorgang, dem mechanische Strukturen zugrunde liegen. Indem der Apparat über kryptische Textpartikel sprachliche Kompetenz vortäuscht, versucht er seine dominante Position zu behaupten.